Algerien: von der Arbeiterselbstverwaltung zur staatsbürokratischen Lenkung
In: "Die endlich entdeckte politische Form": Fabrikräte und Selbstverwaltung von der Russischen Revolution bis heute, S. 284-307
Die Selbstverwaltung bezieht sich im algerischen Zusammenhang auf eine Volksbewegung, die in der unmittelbaren Folgezeit der Unabhängigkeit von 1962 aufkam. Die "autogestion" stellte somit eine Art Gründungsmythos für den algerischen Staat dar. Allerdings wurde die Selbstverwaltung durch die Regierung Ben Bella zunächst formalisiert und danach durch eine Gesetzgebung, welche die Arbeiterkontrolle scheinbar institutionalisierte, in der Praxis bald in erheblichem Ausmaß eingegrenzt. Während die die "autogestion" umreißenden Gesetze inhärente Widersprüche enthielten, sind die der Schwächung der Selbstverwaltung zugrunde liegenden Ursachen jedoch in der Dynamik der algerischen Gesellschaft auf ökonomischer, sozialer und politischer Ebene zu finden. Im vorliegenden Kapitel wird diese Dynamik unter Betrachtung der Geschichte der "autogestion" und durch die Untersuchung der Faktoren, die ihre Verheißungen zunichte gemacht haben, nachgezeichnet. Die Betrachtung bietet auch die Möglichkeit, eine Anzahl theoretischer Fragen zu beleuchten, insbesondere unter Berücksichtigung der Rolle der Staatsbürokratie, der Beziehung zwischen Selbstverwaltung und Staat, der Logik von ökonomischer und politischer Macht unter Arbeiterkontrolle sowie der Natur von Klassenkämpfen unter solchen Umständen. (ICI2)